Dunkelrot (Kurzwerk)
Dunkelrot
von Nathanael Merten
Ich mag dunkelrote T-Shirts. Die Farbe spricht mich einfach an. Edel, aber nicht extravagant. Stilvoll, aber nicht in Szene setzend.
Ich zog mein dunkelrotes T-Shirt an und ging in die Stadt. Wir wollten uns am Zigarettenautomaten treffen. Daneben waren Läden mit großen Schaufenstern. Unweigerlich flog mein Blick auf das Schaufenster, als ich daran vorbeilief. Nicht, um mir die Produkte anzusehen, sondern um mich selbst im Ganzkörperprofil zu checken. Ich ging vorbei und fragte mich, was da los war. Hatte die Sonne mich beim Herweg geblendet? In der Spiegelung des Schaufensterglasses war mein T-Shirt grün. Ich ging nochmal ein paar Schritte zurück. Es war grün, eindeutig grün. Ich senkte den Blick, um mein T-Shirt ungespiegelt anzusehen. Es ist rot. Dunkelrot. Etwas an der Scheibe musste die Realität falsch abbilden.
Ich ging zu dem Schaufenster an der anderen Seite neben dem Automaten. Auch dort war es grün. Es konnte nicht sein. Es durte nicht sein. Ich fing an zu schwitzen. Gedanken des Wahnsinns durchfluteten mich.
Ich rannte zum nächsten Schaufenster. Das gleiche. Ich rannte in die nächstgelegene Ladentoilette. Ein echter Spiegel musste Klarheit schaffen. Ich rannte hinein und blickte in den Spiegel. Markantes, undezentes grün war auf meiner Brust. Ich blickte noch einmal hinunter. Es war eindeutig dunkelrot. Nur eben nicht im Spiegel.
Ich fragte die nächstbeste Person im Laden, wie er die Farbe meines T-Shirts nennen würde. "Knallgrün" war die Antwort.
War es ein Zeichen vom Himmel? Hat ER mir geantwortet?
Doch dann fiel es mir ein. Dann erkannte ich es.
(c) 2011, http://nathanaelmerten.blogspot.com
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