Seine letzte Liebe
Sie lernte ihn eigentlich nur durch Zufall kennen. Sie war
immer offen für neue Erfahrungen und Kontakte und machte sich nicht viel aus
dem Glauben an die große Liebe. Sie hatte eben gerne Spaß, ging gerne feiern
und wachte gerne neben jemand auf, wenn ihr an dem Abend danach war. Mehr
brauchte sie in ihrem Leben nicht.
Er war da anders. Er sehnte sich nach der großen Liebe und
sah in ihr eine endlos besondere Person, mit der er einfach zusammen sein
wollte. Er war sich sehr sicher, dass jemand wie sie ihm nicht noch einmal
einfach so begegnen würde. Sie trafen sich ein paar mal. Aber sie wollte im
Moment einfach keine Beziehung mit ihm. Vielleicht irgendwann mal. Außerdem war
er so ein Trauerkloß. Sie wollte das Leben nicht ernst nehmen, damit hatte sie schon
lange aufgehört. Doch er war wie Dr. House. Er schaute immer so traurig, als
wäre sein Herz schon lange herausgerissen worden. Er sagte ihr, wie sehr er mit
ihr zusammen sein möchte. Aber sie sagte nur, sie wisse nicht, ob das eine so gute
Idee wäre.
Und so vergingen die Wochen. Er hielt den Kontakt, und wann
immer sie Lust auf seine Gesellschaft hatte trafen sie sich. Auf ein Bier.
Einen Kaffee. Oder eine kurzweilige Zweisamkeit.
Und weitere Wochen vergingen. Es wollte wohl keine Beziehung
werden. Und er war traurig. Sie war der einzige Hoffnungsschimmer der letzten
Zeit. Er wusste, dass er alleine ist ohne sie. Freunde hatte er nicht wirklich
und dass er immer so viel arbeiten musste, um zu kompensieren, dass er von
Eltern und Großeltern keinerlei Geld mitbekommen hatte, weil sie einfach selber
nichts als Schulden hatten, verpfuschte sein Leben. Er konnte nicht einfach
spaßig fünf Jahre studieren. Daher war er arbeiten, während die anderen neue
Kontakte knüpften und ihre Partner fürs Leben fanden. Schauen Sie nur mal, wie
viele Leute ihren Partner aus der Schul- und Studienzeit kennen. Doch wenn man
nicht gerade Eventmanager oder Rowdie ist sieht es schlecht aus mit neuen
Freunden.
Er war also mal wieder ein Wochenende alleine. Wusste nichts
mit sich anzufangen. Wusste nur eines: Ihm macht dieses Leben keinerlei Spaß,
nichts reizte ihn. Schon seit Jahren nicht. Er war nur einsam und alles war
sinnlos. Er stand traurig an seinem Balkon und wusste, dass dies nun die
Endstation ist.
Sie wunderte sich am nächsten Tag, dass er ihr gar nichts auf WhatsApp schrieb. Als sie von der Arbeit heimkam fand sie einen Brief in ihrem Briefkasten. Er schrieb ihr, dass es ihm sehr leid tut, aber er einfach keinen Spaß am Leben hat und das alles nicht mehr will. „Wahrscheinlich wirst du mit jemand anders ohnehin viel glücklicher werden, als wir es je hätten sein können.“ Sie ging in ihre Wohnung, setzte sich mit dem Rücken zur Haustür und weinte. So verschwand er also auf ewig, dieser tolle Mann, der so anders war als die anderen. Vielleicht hätte sie ihnen eine Chance geben sollen. Vielleicht war er der genau richtige, die perfekte Ergänzung zu ihrer unernsten Persönlichkeit. Von nun an war auch sie jeden Tag traurig und auch ihr tat nun tagtäglich das Leben weh, weil sie tief in sich wusste, dass sie die große Liebe für immer verloren hatte.
(c) 02.2014, nathanaelmerten.blogspot.com
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